Gutachten – was, wenn das Gutachten „unbrauchbar“ ist ?

Wer in einen von ihm unverschuldeten Unfall verwickelt wird, möchte seinen erlittenen Schaden erstattet bekommen. Darauf hat der Geschädigte einen Rechtsanspruch.

Nach dem Gesetz ist der Schädiger nämlich verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtetet Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Um die Höhe und den Umfang des Schadens zu ermitteln, bedarf es häufig eines Gutachters. Welcher Gutachter erstellt aber das Gutachten? Darf der Unfallverursacher den Gutachter auswählen oder wird die Auswahl des Gutachters dem Geschädigten zugestanden?

Der Geschädigte hat ein Anrecht auf vollständige Schadensregulierung. Dazu gehört auch die wertneutrale Schadensfeststellung. Aus diesem Grunde braucht der Geschädigte keinen vom Schädiger beauftragten Gutachter zu akzeptieren. Er muss sich keinen Gutachter vorschreiben lassen sondern kann selbst einen Gutachter seiner Wahl mit der Ermittlung des Schadenumfanges beauftragen.

Durch die Beauftragung des Gutachters wird der Geschädigte zwar Vertragspartner des Gutachters. Gleichwohl wird der Gutachter nicht für den Auftraggeber, dem Geschädigten, tätig. Der Gutachter ist rechtlich gesehen der Erfüllungsgehilfe des Unfallverursachers. Er erfüllt dessen Pflichten, die er durch den von ihm verursachten Unfall zu erbringen hat. Schließlich wäre ohne Unfall auch keine Beauftragung eines Gutachters erforderlich geworden. Diese Zuordnung ist nicht nur eine begriffliche Spielerei, sondern hat rechtlich weitreichende Konsequenzen.

Wenn nämlich der Gutachter in Ausübung seiner Begutachtungstätigkeit seine Arbeit schlecht macht, ist es ganz entscheidend, wem die Schlechterfüllung zugerechnet wird. Nach dem Gesetz hat dies der Unfallverursacher zu vertreten. Er hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden, so § 278 BGB.

Dies hat zur Konsequenz, dass zwar der Auftrag zur Begutachtung von dem Geschädigten kommt, der Unfallverursacher aber zunächst das Risiko der Schlechterfüllung zu tragen hat. Sollte der Gutachter seine Arbeit schlecht machen oder bei der Begutachtung irgendeinen Schaden anrichten, so hat dies zunächst der Unfallverursacher zu vertreten. Dies gilt natürlich nicht uneingeschränkt. Den Geschädigten trifft immer die Pflicht, den Gutachter zumindest sorgfältig auszuwählen.

Die Kosten des Gutachtens gehören zum Herstellungsaufwand und sind damit grundsätzlich vom Schädiger zu erstatten, auch wenn der Geschädigte den Gutachter ausgewählt hat. Der Schädiger ist somit verpflichtet, die Kosten für die Erstellung des Gutachtens zu tragen.

Wenn den Geschädigten bei der Auswahl des Gutachters kein Vorwurf gemacht werden kann, dann sind die Kosten selbst dann grundsätzlich vom Unfallverursacher zu ersetzen, wenn das Gutachten schlecht, objektiv mangelhaft oder völlig unbrauchbar ist.

OLG Hamm vom 08.05.2001, Az: 27 U 201/00;
OLG Düsseldorf, 06.02.2006 Az: I-1 U 148/05,
KG Berlin vom 15.11.2004, Az: 18 U 18/04;
OLG Frankfurt / Main vom 11.10.2000, Az: 7 U 203/98;
LG Saarbrücken vom 09.10.2007, Az: 4 O 194/07;
LG Karlsruhe vom 14.09.2007, AZ: 8 O 191/06


Foto:123rf.com